Was Hexenkunst ist und was es heißt, eine Hexe zu sein
- Eric

- 14. Dez.
- 3 Min. Lesezeit
Hexenkunst ist keine Technikensammlung und kein offenes System, das man nach Belieben betreten und wieder verlassen kann. Sie ist eine bestimmte Weise, Magie zu praktizieren, die aus einem konkreten Verhältnis zur Welt hervorgeht und sich erst durch fortgesetzte Arbeit formt. Dieses Verhältnis entsteht nicht aus Überzeugung oder Theorie, sondern daraus, dass man bleibt, wiederkehrt und Antworten aushält, die nicht immer angenehm sind.
Wer Hexenkunst betreibt, bewegt sich in einem Raum, in dem die Welt nicht neutral bleibt. Orte verändern sich mit der Zeit. Beziehungen verdichten sich. Handlungen wirken nach, oft langsamer und tiefer, als man es erwartet hätte. Die Welt antwortet nicht unbedingt freundlich, aber verlässlich genug, um nicht überhört werden zu können.
Hexenkunst vollzieht sich in Beziehungen, die nicht abstrakt sind. Landschaften, Schwellenorte, Ahnen und Geister werden nicht als Bilder gelesen, sondern als wirkende Gegenüber, die eigene Wege gehen und nicht darauf warten, verstanden zu werden. Mit ihnen zu arbeiten bedeutet, Bindungen einzugehen, die tragen können und zugleich fordern, Bindungen, in denen man selbst nicht außerhalb steht, sondern immer Teil des Geflechts bleibt.
Nicht jeder Mensch, der auf diese Weise arbeitet, ist deshalb eine Hexe. Die Kunst kann erlernt werden, das Hexesein nicht. Zwischen beidem liegt eine Schwelle, die sich weder durch Wissen noch durch einen Entschluss öffnen lässt. Sie öffnet sich durch Wandlung, durch ein Verhextwerden, das nicht vollständig kontrollierbar ist und den Menschen verändert, oft leise, aber dauerhaft.
Diese Wandlung ist keine innere Metapher. Sie zeigt sich darin, dass Zugehörigkeit sich verschiebt. Dort, wo ein Mensch von der Welt der Geister in Anspruch genommen wird, beginnt ein anderer Stand. Man bleibt Mensch, gehört aber nicht mehr ausschließlich der menschlichen Ordnung an. Die Hexe lebt zwischen den Welten, nicht als Beobachterin, sondern als Beteiligte.
Der Mythos, in dem sich diese Verschiebung verdichtet, ist der Sabbat. Er ist kein historisches Datum und kein folkloristisches Bild. Der Sabbat bezeichnet einen Zustand der Welt, in dem die gewohnte Ordnung nicht mehr trägt und andere Regeln wirksam werden. Hier begegnen sich Lebende und Tote, Menschen und Geister, ohne dass diese Begegnung erklärt oder gerechtfertigt werden müsste.

Im Bild des Sabbats erscheint die Hexe nicht als Einzelne. Sie tritt ein in eine Horde, die älter ist als persönliche Biografien und größer als individuelle Motive. Diese Horde folgt dem Hexenvater. Er ist kein Lehrer im menschlichen Sinn und kein moralischer Richter. Er ist Initiator.
Der Hexenvater initiiert nicht durch Zuspruch, sondern durch Begegnung. Sie nimmt Sicherheiten und erzwingt Neuordnung. In seiner Gestalt verbinden sich Wildnis, Wissen und Herrschaft, ohne sich zu einem beruhigenden Bild zu fügen. Wer zu seiner Horde gehört, wird nicht ausgezeichnet. Er wird gebunden, und diese Bindung wirkt weiter, lange nachdem der Moment der Begegnung vergangen ist.
Hexenkunst kann auch ohne diese Wandlung betrieben werden, ernsthaft und wirksam. Doch das Hexesein, wie es hier verstanden wird, beginnt erst dort, wo Praxis zur Bindung wird und nicht mehr folgenlos bleibt. Diese Bindung verlangt Verantwortung, Wiederkehr und die Bereitschaft, zu bleiben, auch wenn es unbequem wird.
Das House of the Horned Serpent verwendet den Begriff der Hexe in genau diesem Sinn. Nicht um ihn festzuschreiben, sondern um den Bedeutungsraum zu benennen, aus dem seine Texte hervorgehen. Diese Sicht erhebt keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit und spricht niemandem das Hexesein ab, der sich in diesem Bild nicht wiederfindet. Sie dient allein der Verortung der eigenen Arbeit.
Die Texte dieses Hauses entstehen aus einem Verhältnis zur Welt, das gegangen wird und sich nicht vollständig erklären lässt. Wer sie liest, begegnet keiner Theorie, sondern Spuren einer Praxis, deren Sinn sich nicht im Lesen erschließt, sondern erst im Weitergehen.



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